Ich verstehe die Welt nicht mehr …

Eigentlich wollte ich Teil 5 von “Mein Kameraleben” veröffentlichen. Aber mir waren diese Worte ein größeres Bedürfnis. Beim nächsten Mal gibt es wieder Gedanken zu Kameras, Fotografie und urbane Räumen.

Mindestabstand (2021)

Ich verstehe die Welt kaum noch

Ich bin seit jeher ein aufmerksamer Beobachter der Welt. Vielleicht weil mich Geschichte, Politik, Gesellschaft und Philosophie schon immer interessiert haben. Und ich war bisher immer in der Lage mir die Geschehnisse zu erklären. Ich mag oft anderer Meinung gewesen sein, aber ich konnte die Handlungen und Entscheidungen, die Ereignisse immer einordnen und nachvollziehen.

Seit März 2020 fällt mir das immer schwerer und mittlerweile schaue ich nur rätselnd und zunehmend verzweifelnd in die Welt hinaus. Ich schaue mir die Politik und große Teile der Medien an und habe das Gefühl, was dort abläuft hat sich mittlerweile größtenteils von der Realität gelöst. Ein Spirale aus Zahlen, Maßnahmen, Drohungen, Angst, neuen Zahlen und so weiter. Ich rede mit Freunden, Familie und Arbeitskollegen und nicht wenige leben mit einer Angst, welche nicht mehr durch die Realität zu begründen ist, sondern im Grunde nur noch medial produziert und verbreitet wird. Andere schütteln wie ich den Kopf vor Unverständnis. Wieder andere schrecken davor zurück Fragen zu stellen.

Nichts ist schwerer…

Ich war immer der Überzeugung, dass staatliches Handeln in einer Demokratie dazu dient kollektive Probleme und Fragestellungen rational und friedlich zu klären. Nicht immer zu aller Menschen Zufriedenheit aber zumindest im Gespräch, im Ausgleich und im Kompromiss. Ich bin entsetzt, dass so viele verantwortliche Politiker in Horrorszenarien, Drohungen und Angstmacherei aufgehen, anstatt auf uns Bürger beruhigend und vertrauend einzuwirken. Wozu ist die Politik eigentlich in dieser Krise da? Um noch mehr Angst zu verbreiten? Um denen zu drohen, die eine andere Meinung haben oder die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen in Frage stellen? Um panisch zu verbieten, einzuschränken oder Menschen in eine neuartige medizinische Behandlung zu drängen? Oder um sachlich, ruhig und vertrauend zu handeln und den Menschen dabei zu helfen, mit einer komplexen Situation gut umzugehen?

Aber vielleicht lassen wir uns alle gerade von Angst leiten. Der Angst vor dem Virus, der Angst vor den Konsequenzen des eigenen Handelns, der Angst Fehler gemacht zu haben, der diffusen Existenzangst, die in uns allen steckt und bei Unsicherheit wach wird und nach schnellen, klaren und leider oft falschen Lösungen ruft. Der preußische Militärtheoretiker Carl von Clausewitz sagte einmal sinngemäß, dass nichts schwerer sei als der Rückzug aus einer unhaltbaren Position. Was so simpel militärisch klingt, enthält eine unglaublich profunde Wahrheit und zeugt von einer großen Menschenkenntnis.

Für die Politik ist es fast unmöglich, sich von den Maßnahmen der letzten anderthalb Jahre zu lösen, würde dies doch die Frage aufwerfen, ob die Maßnahmen überhaupt sinnvoll oder notwendig waren. Würde es doch bedeuten, öffentlich eingestehen zu müssen, sich möglicherweise geirrt zu haben. Und ob die Öffentlichkeit nach so langer Zeit und so vielen Einschränkungen noch vergeben würde? Ob es die Menschen überhaupt hören wollen? Vielleicht ist es auch schwer Dinge anders zu sehen, wenn man beständig die Mahnungen und Forderungen ein und derselben Berater hört. Wenn die Menschen in ihrer Angst nach einem starken Handeln rufen und ein vielleicht besonnenes Nachdenken als gefährliches Zögern abstrafen. Und auch für die Menschen ist der Drang stark, den letzten 18 Monaten einen Sinn zu geben. Für irgendwas muss es doch gut gewesen sein oder? Der Rückzug wird vielen sehr schwer fallen.

Wo führt es hin

Wo soll das alles noch hinführen? Nicht wenige suchen das Heil in der möglichst umfassenden Impfung aller Menschen, am besten per Zwang. Damit wir es endlich hinter uns hätten. Aber so gut wie es versprochen wurde scheint die Impfung nicht zu sein. Mittlerweile geht es nur noch um das Verhindern schwerer Verläufe und einer Reduzierung der Ansteckungsgefahr. Und das für vielleicht sechs Monate. Was wenn uns auch das nicht erlöst? Was wenn das Virus trotzdem im nächsten, im übernächsten und den darauffolgenden Jahren wiederkommt so wie andere Atemwegsviren auch. Was tun wir dann, wo stehen wir dann?

Vor einem riesigen Scherbenhaufen an Leid werden wir stehen, wenn wir realisieren, dass die meisten Maßnahmen eine Illusion der Kontrolle waren und wir uns für nichts aufgeopfert und beschränkt haben. Wir werden merken, dass wir den Versprechen der Pharmaindustrie auf den Leim gegangen sind, dass wir unserer Gesellschaft, unseren Grundrechten, unserer Mitmenschlichkeit und unserem gegenseitigen Vertrauen immensen Schaden zugefügt haben, in dem völlig irrwitzigen Versuch ein Atemwegsvirus zu kontrollieren oder gar zu besiegen. Dafür gibt es ein Wort: Hybris.

Und wir alle, geimpft oder ungeimpft, alt oder jung, rechts oder links, müssen unter der Hybris einiger Experten, Politiker, Pharmakonzerne und Mediengiganten leiden. Wir sitzen alle im selben Boot. Wir sollten aufhören uns gegenseitig zu bekämpfen und wir sollten aufhören unser Leben von Angst bestimmen zu lassen. Ich habe schon lange keine Angst mehr vor Corona.

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