Wie ich den ersten beiden Teilen schrieb [1,2] begann alles mit einer simplen Kompaktkamera gefolgt von einer “richtigen” Kamera. Die Minolta Dimage A1 war von der Größe, der Ergonomie, Haptik und den Funktionen eine super Kamera. Ich war von fast allen Aspekten begeistert. Mit Ausnahme der Bildqualität und nun ja das scheint mir doch eine der entscheidenden Funktionen einer Kamera zu sein. Kurz gesagt der Sensor war einfach zu klein und bot damit nur einen geringen Dynamikumfang (d.h. in vielen Fällen gingen meist die hellen Flächen überstrahlt unter) und produzierte zu viel Sensorrauschen. Ich hatte schon gemerkt, daß ich gern flexibel in eher ungünstigen Lichtsituationen fotografierte (Bahnhöfe, Shoppingcenter, Abenddämmerung etc.) und die Dimage A1 war dafür trotz Bildstabilisator nicht wirklich gemacht. Und ein Stativ…nein so etwas kommt mir nicht ins Haus. Das bringt meinen ganzen Flow durcheinander.
Außerdem war ich jung und stand noch darauf viele und neue Dinge zu kaufen. Etwas das sich durch die gesamte “Mein Kameraleben” Reihe ziehen wird. Und dann auf einmal waren digitale Spiegelreflexkameras erschwinglich. Es gab diese Kameras schon seit einiger Zeit aber DLSRs zusammen mit den passenden Objektiven waren erst so um 2004 wirklich sinnvoll verfügbar. Also erwarb ich die dann brandneue Canon EOS 20D. Ich hätte auch den kleinen Bruder EOS 300D für etwas weniger Geld kaufen können aber ich war jung und materialistisch, also durfte es nicht das Einsteigermodell sein.
Die EOS 20D war die Mittelklasse mit ganzen 8(!) Megapixel auf einem großem Sensor. Klingt nicht viel bei den heutigen 20 oder 30 Megapixel aber man darf nicht vergessen, daß ein 4K Fernseher heute ziemlich genau die Auflösung hat wie die EOS 20D in 2004. Die Haptik und Ergonomie der Kamera waren hervorragend und sind für mich bis zu den Fuji X-Kameras unerreicht geblieben. Alle wichtigen Funktionen waren über zwei Einstellräder und drei Knöpfe änderbar. Es gab ein Display oben mit den wichtigsten Infos und einen recht großzügigen Sucher (der eigentliche Grund nicht die kleinere EOS 300D zu kaufen). Die Kamera war sofort startbereit und der Autofokus blitzschnell wenn das Licht stimmte. Die Bildqualität war hervorragend und braucht sich vor modernen Kameras kaum verstecken. Insbesondere das Rauschverhalten war um Welten besser als bei der Minolta.
Aber nicht alles war kunterbunt toll. Das ganze Teil wog mit Objektiv über ein Kilo und damit fast doppelt soviel wie die Minolta Dimage A1. Und meine materielle Gier war größer als meine eher feinen Hände und im Grunde war die Kamera zu groß für mich. Ein weiteres Problem war der Sucher. Im Gegensatz zum digitalen Sucher der Minolta konnte man kein Fadenkreuz, Drittellinien oder digitale Wasserwaagen einblenden mit der Folge, daß viele meiner Bilder schief waren. Dennoch habe ich mit dieser Kamera mit am meisten über die technischen Aspekte der Fotografie gelernt und es ist mit sieben Jahren die bis heute am längsten genutzte Kamera. Ich habe tolle Erinnerungen an die Zeit mit meiner Canon.
Da ich mal wieder mein Bafög für eine Kamera verschwendet habe blieb nur noch das billige EF-S 18-55mm Kit Objektiv für mich übrig. Im Nachhinein wäre wohl die Einsteigerkamera mit einem weiteren Objektiv besser gewesen. Dennoch das billige Plastikobjektiv war gar nicht mal so schlecht.
Canon EOS 20D and EF-S 18-55 F3.5-5.6: Beispielbilder

Ich liebe es mit dem Zug zu fahren, selbst mit der notorischen nicht mehr so zuverlässigen Deutschen Bahn. Trotz allem definitiv besser als Flugzeug, Reisebus oder gar Auto. Dieses Bild habe ich Hamburg aufgenommen als ich Freunde besucht habe. Der Hamburger Hauptbahnhof ist ein absolut faszinierender Albtraum aus Verkehr, Shopping, Dreck, Junkies und dunklen Ecken. Mich interessiert es immer wieder warum Leute zum Bahnhof kommen, wohin sie fahren, woher sie kommen und warum sie sich hier aufhalten. Ich selbst bin an diesem Tag wieder zurück nach Berlin gefahren.
Diese Aufnahme war ein glücklicher Schnappschuss. Das Bild mag recht hell aussehen aber die Halle war ziemlich dunkel. Auf jeden Fall ziemlich dunkel für eine Digitalkamera aus dem Jahr 2004 ohne Stativ und ein Objektiv mit maximaler Blende von gerade einmal f3.5. Das menschliche Auge kann sich an dunkle Lichtverhältnisse weit besser anpassen als die digital Sensoren zu dieser Zeit. Heute ist das vermutlich umgekehrt. Dennoch abgestützt auf dem Geländer habe ich die Lok mit den “Ohren” hervorragend getroffen.

Aus rein technischer Sicht ist dieses Bild nicht sonderlich bemerkenswert. Der Himmel ist überstrahlt, die Bäume sind abgeschnitten und das Motiv nichtssagend. So sieht eben der Winter in deutschen Städten aus. Ich habe das Bild trotzdem ausgewählt weil es etwas zeigt, was sonst kaum fotografiert wird. Einen Platz in einer Fußgängerzone einer beliebigen mittelgroßen Stadt in Deutschland. Hagen ist zwar nicht unbedingt beliebig und hat eine eigentlich interessante Geschichte. Aber Hagen ist auch eine Stadt die kaum von Touristen besucht wird. Warum auch, hier gibt es keine touristischen Highlights zu sehen.
Im Jahr 2004 war die Stadt nicht gerade in bestem Zustand. Die Industrie war schon seit den 1990er Jahren erheblich geschrumpft. Arbeitslosigkeit und Kriminalität waren hoch und die Shoppingmeile (oder auf prosaischem Deutsch “Fuzo” genannt) hatte mit Leerstand zu kämpfen. Dennoch ein paar hundert Meter weiter hat die Stadt den alten Busbahnhof in einen autofreien Platz umgebaut und gleich noch ein modernes Einkaufscenter daneben gesetzt. Der neue Platz erfreute sich recht annehmbarer Beliebtheit in der Bevölkerung.
Der Platz auf dem Foto (der Adolf-Nassau-Platz) dagegen versprühte noch den Charme der 1980er Jahre. Das graue winterliche Wetter half nicht die Attraktivität zu steigern. Dennoch der Dokumentarist in mir sieht unglaublich viel Schönes und Interessantes auf diesem Bild. Ich bin neugierig wie die Gegend heute aussieht. Graues Winterwetter sollte niemanden davon abhalten Fotos zu machen. Statt fröhlicher und bunter Bilder gibt es unglaublich viel Tiefe und Nachdenklichkeit zu entdecken. Fotografie soll und muß sich auch mit solchen Themen und Orten beschäftigen.

Ein weiteres Winterbild. Dieses Mal war der Himmel etwas kooperativer und präsentierte uns eine tief liegende Wolkenstruktur passend zu den Tieffliegern im Museum. Das Luftwaffenmuseum in Berlin Gatow ist sehenswert wenn auch mit den Öffentlichen schwer zu erreichen. Typisch Berlin. Viele Touristen besuchen Berlin nicht wegen der hippen Clubs sondern auch wegen der Geschichte der Stadt im Kalten Krieg. Und anstatt das furchtbar touristische DDR-Museum zu besuchen lohnt ein Ausflug nach Gatow. Vielleicht nicht unbedingt im Winter denn das Außengelände ist ungeschützt und windig.

Okay weg mit dem Winter und ab auf einen angenehmen Sommerspaziergang an der Spree. Aber was ist das das? Ein Zementwerk mitten auf dem Spazierweg. Ich persönlich mag Industriearchitektur aber leider hat Berlin nicht mehr viel davon. Tatsache ist, daß die meisten “Industrieländer” mittlerweile ihr Haupteinkommen im Servicesektor erwirtschaften und nicht mehr viel klassische Industrie übrig geblieben ist. Produziert wird woanders oder wenn dann in modernen langweiligen Hallen. Zement ist jedoch eines der wenigen Produkte, welches wir nicht in China herstellen lassen können. Zement muss vor Ort gemixt werden. Im Hintergrund sieht man noch das Kraftwerk Rummelsburg. Das gesamte Areal war ein riesiges Industriegebiet aber mittlerweile werden auch hier Appartements und Townhouses gebaut. Ob die Rummelsburger Bucht ein wirklich lebenswerter Stadtteil wird bleibt offen. Oft enden solche Projekte als reine Wohngegenden mit angeschlossenem Nahversorgungszentrum aber ohne eine echte gewachsene Struktur aus Einzelhandel, Gastronomie, Wohnen und anderen lebenswerten Einrichtungen.

Schutt und eine gelbe Straßenbahn, es muß Berlin sein. Die Gegend war damals in voller Gentrifizierung. Alte Gebäude wurden entkernt und saniert während die Straßenbahn die Partyleute und Touristen von A nach B brachte. Sehr zum Unmut der Menschen, die morgens zur Arbeit wollten ohne von besoffenen Touristen angelallt zu werden. Der internationale Tourismus war nicht unbedingt ein Gewinn für die Stadt. Die Steuereinnahmen der vielen Billigtouristen waren zum einen nicht genug und zum anderen wurden sie nicht in die Infrastruktur der Stadt oder bezahlbaren Wohnraum investiert. Stattdessen wurden die Touristengegenden gleichzeitig zu beliebten Wohngegenden für die Besserverdiener, Airbnb Vermieter und Expats. Ganze Nachbarschaften wurden mit englischsprachigen Cafés überzogen. Nunja…viele Neuankömmlinge haben Berlin zu ihrer Stadt gemacht. Es ist nur einfach nicht mehr meine Stadt und ich denke mittlerweile ist das auch in Ordnung für mich. Das Leben ist Wandel und man kann diesen entweder lamentieren oder aktiv darauf reagieren. Ich wohne hier nicht mehr, daß war mein aktiver Beitrag zum Wandel.